Edith Stein – Sr. Teresa Benedicta vom Kreuz
Edith Stein wurde 1891 als elftes und letztes Kind in Breslau geboren. Ihr Geburtstag am 12. Oktober fiel auf den höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, Tag der Versöhnung. Während ihrer Jugendzeit nahm sie Abstand von den jüdischen Traditionen und hörte auf zu beten. Immer stärker aber wurde in der nach Wissen und Bildung strebenden Frau die Suche nach dem, was unhintergehbar wahr ist. Die Auseinandersetzung mit philosophischen Themen während ihrer Studienzeit in Breslau und Göttingen, insbesondere mit der Philosophie ihres Lehrers und schließlich Doktorvaters Edmund Husserls, die Begegnung mit anderen Suchenden und die Lektüre der Autobiographie der spanischen Mystikerin und Karmelitin Teresa von Avila (1515-1582) führte sie zu der Erkenntnis, dass die Wahrheit eine Person ist: Jesus Christus. Letztlich hat ER sie geführt, so dass sie sich 1922, nach einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Konfessionen, in der katholischen Kirche taufen lässt. In der Reife ihres Glaubens wird sie später in einem Brief schreiben: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht nach Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“
Beruflich wirkte Edith Stein sieben Jahre als Lehrerin in Speyer und ein Jahr als Dozentin in Münster bevor sie sich entschied, 1933 in den Karmel in Köln einzutreten. Als Ordensnamen wählt sie Sr. Teresia Benedicta vom Kreuz. Um ihre Mitschwestern nicht zu gefährden, entschied sie sich 1939 für die Flucht in den Karmel nach Echt in den Niederlanden. Entrinnen konnte sie den Nazischergen nicht. Gemeinsam mit ihrer leiblichen Schwester Rosa und zahlreichen Ordensleuten jüdischer Herkunft, wurde sie im August 1942 nach Auschwitz deportiert und wohl unmittelbar ermordet.
Nach Freiburg kam Edith Stein (eigentlich nur), um am 3. August 1916 ihr Rigorosum abzulegen. Als Doktorin der Philosophie blieb sie bis 1918 Assistentin bei Edmund Husserl. Sie lebte und arbeitete in dieser Zeit in der Lorettostraße, Zasiusstraße und Goethestraße. Bis zu ihrem Klostereintritt in Köln pflegte sie besuchsweise und brieflich intensive Kontakte zu Benediktinerinnen der Hl. Lioba in Freiburg-Günterstal. Ihr Bestreben, sich zu habilitieren, wurde insgesamt viermal vereitelt. Ihr letzter Freiburger Aufenthalt, um eine erneute Habilitation zu prüfen, war im Winter 1931/32. Als Jüdin und Frau hatte sie keine Chance. Damals wohnte sie im Haus der Lioba-Schwestern Ecke Riedbergstraße/Spitzackerstraße. In diesem Haus haben die Schwestern ein Gedenkzimmer für Edith Stein eingerichtet. Papst Johannes Paul II. sprach Edith Stein 1998 heilig und erhob sie 1999 gemeinsam mit Katharina von Siena und Birgitta von Schweden zur Mitpatronin Europas. Der Gedenktag Edith Steins ist am 9. August.
Die Musik zum Konzert möchte auf verschiedenen Ebenen und Besetzungen den Zugang zu Werk und Leben von Edith Stein vertiefen. Zunächst rein inhaltlich, indem sie Texte weiterführt, vertieft oder auch kommentiert. Dann aber auch biografisch, indem sie Edith Stein’s Wurzeln und Lebensumstände in der Auswahl der Komponisten spiegelt. So werden ihre jüdischen Wurzeln ganz direkt im „Adonai“ aus den Chichester Psalms von Leonard Bernstein angesprochen. Auch Aaron Copland, der Komponist des „Thou, o Jehovah, abideth forever“ hat jüdische Wurzeln. Seine Familie stammt von litauischen Juden ab, die um 1900 in die USA übersiedelten.
Eine zweite Ebene eröffnet eine Analogie zur Biografie Edith Stein’s in Hinsicht auf die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Die Komponisten Max Bruch und Felix Mendelssohn wurden zwar nicht wie Edith Stein von den Nazis an Leib und Leben bedroht, sie wurden aber beide in ihrer Kunst geächtet: Felix Mendelssohn – schon kurz nach seinem Tod Opfer antisemitischer Strömungen – war bis zur Zeit der Nationalsozialisten jedoch im deutschen Musikleben prominent vertreten, wurde von den Machthabern aber schließlich aus den Konzerten systematisch verdrängt. Max Bruch – obwohl ein bodenständiger Vertreter der deutschen Hochromantik – stand wegen seiner Vertonung des jüdischen Gebets „Kol Nidre“ (Jom Kippur) im „Dritten Reich“ in der Kritik und wurde ebenfalls von den Konzertplänen verbannt.
Das Leitmotiv „Gott ist die Wahrheit und wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott“ bringt in der Melodik Anklänge von Klezmer-Musik in unser Konzert. Die Improvisation des Saxophons über das Thema bereitet seine erste vokale Vorstellung vor. Das Thema zeigt sich sodann in den verschiedensten Konstellationen, bleibt jedoch immer kantig und sperrig bis es schließlich nach langer „Suche“ in einer vierstimmigen Fassung homophon endet.